Es sprudelt in der Schweiz

 

Die letzten Monate habe ich in Indien verbracht und in Indien bedeutet Wellness: sich in einer Nasszelle, kauernd, mit Plastikbecher (im besten Falle) heisses Wasser über den Körper zu schütten.

Das erfüllt durchaus seinen Zweck.

 

Trotzdem habe ich hie und da gedacht: "Was freue ich mich auf das Sprudeln in der Schweiz".

 

Da bin ich nun, im Fitnesspark.

In der braven, sauberen Schweiz.

 

Und während, verschwenderischerweise, Unmengen von Wasser vergebens aus der tropischen Themendusche fliessen (richtige Temperatur noch nicht gefunden), denke ich mir: Sind sich die Menschen ihres Luxus eigentlich bewusst?

 

(Die Dame, die mich keifend gemassregelt hat, ich hätte die Türe nicht korrekt geschlossen, vermutlich nicht.)

 

Genüsslich lass ich mich rücklings im Soledad treiben und staune über die perfekt verputzte Decke. Nirgends ein Kabel zu sehen. Keine Kachel abgeblättert. Alles perfekt.

 

Bei den Massagedüsen drehe ich immer wieder den Kopf zum Signalschild, das einen benachrichtigt, wenn es Zeit ist die Düse zu wechseln. Man will schliesslich nicht die Schweizer verärgern und seinen Einsatz verpassen!

Aber ehrlich gesagt ist es mir recht, immer wieder dahin zu schauen.

Die Atmosphäre in dieser Massagedüsenkurve ist meiner Meinung nach etwas beklemmend.

 

Dieser geteilte Genussraum hat etwas seltsam intimes. Jeder holt sich quasi was er braucht. Man darf ein bisschen zeigen, dass es gut tut, aber nicht zu sehr. Ich bin mir meines Gesichtsausdruckes nur allzu bewusst und versuche möglichst neutral dreinzuschauen.

Und obwohl ich mich bemühe: es liegt was Anzügliches in der Luft.

Sind hier nur Lüstlinge? 

Nein.

Ich sehe durchtrainierte Körper, fröhlich plappernde Freundinnen, benommen im Wasser schwebende Senioren. Schnell und entschlossen steige ich aus dem Sprudelbad und gehe wieder zurück ins Solebad.

 

Nach einer Weile bildet sich ein Film kleiner Blässchen auf meiner Haut und ich muss an ein frisch gekühltes Rivella denken.

Jaja die Schweiz.

 

Ich höre mit einem Ohr, wie eine Frau nach einer Aufzählung diverser Früchten erklärt: sie habe "richtig ine-bieged" und denke mir, dass sie wohl das Thema Essstörung etwas mehr als gestreift hat.

 

Ich fühle ich mich erinnert an die dünne Linie zwischen gesundheitsbewusst und zwanghaft. Bemüht oder verbittert. Etwas Gutes kann so schnell in was Schädliches verkehren...

 

Ich schaue in die Gesichter. Studiere die Menschen.

 

Uns fehlt es an nichts und doch wirken wir in dieser Vollständigkeit etwas ratlos. Und Stumpf.

 

Gut tauchen wir unsere Köpfe immer mal wieder unter Wasser.

 

Im besten Falle weckt es uns auf. 

 

 

 

 

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0